Theorie

Längst konfrontiert sich die unmittelbare Lebenswirklichkeit des Einzelnen mit einem globalen Problemhorizont, der sich durch stetig komplexer werdende hypermediale Verschränkungen einer individuellen Einflussnahme mehr und mehr entzieht. Für die existentiellen globalen Fragen, die sich stellen, sind innovative Lösungsansätze erforderlich, die aus den klassischen Feldern der Politik und Wissenschaft nur noch begrenzt erwachsen können. In der Zukunft wird es nicht ausreichen, neue Verteilungsmodelle und Technologien zur Verfügung zu stellen, wenn eine kommunikative Durchdringung und Gestaltung als gestalterisches Angebot an die Gesellschaft ausbleibt, die eben diese Technologien in den Alltag einbindet.

In diesem Sinne verstehen wir aktuelle Problemzusammenhänge als virulente Fragen an das Design: Kommunikationsverfahren, wie sie die kommunikative Verarbeitungs- und Selektionskompetenz des Designs erreicht, können hier nicht nur die Einbindung von Problemlösungen in den Alltag der Menschen ermöglichen, sie vermögen es auch, komplizierte Sachverhalte in erfahrbare Formen zubringen und für Erkenntnisprozesse aufzuschließen. Eine Gestaltung, die sich auf den unmittelbaren Erfahrungsraum des Einzelnen bezieht, ist demnach unbedingte Voraussetzung für ein Verständnis hochdifferenzierter gesellschaftlicher Phänomene. Sie geht also einer Selektion und Restabilisierung, also einer möglichen Lösung gesellschaftlicher Probleme, unbedingt voraus. Design definiert das individuelle Verhältnis zum Alltag als Entwurfsdimension und stellt in diesem Sinne eigenformulierte Problemlösungsansätze für globale Fragen zur Verfügung.

Wir arbeiten an einem Framework aus Systemtheorie und moderner Ästhetik, das in der Differenz zur praktischen Arbeit einen Reflexionsraum erschließt, der das Design nicht nur als Vermittler zwischen diesen beiden Bereichen anerkennt, sondern die Gestaltung von Medien im Bewusstsein einer theoretischen Durchdringung aktueller Problemzusammenhänge begreift. Medien verstehen wir daher nicht nur als Indikatoren für gesellschaftliche Veränderungen: Der poetische Eigenraum des Gestalters schließt das Verstehen gesellschaftlicher Zusammenhänge in der gestalterischen Umsetzung von Medien kontrolliert mit ein. Für die Qualität und Anmutung dieser Umsetzung ist entscheidend, dass sie eine theoretische Orientierung an andere gesellschaftliche Systeme nicht nur berücksichtigt, sondern sich selbst als Träger gesellschaftlicher Dynamik versteht. Aus der Differenzierung des eigenen Standpunktes ergibt sich die Formulierung einer Designtheorie 2. Ordnung mit Engführung auf die Hypermedien, die philosophische episteme mit der Poesie gestalterischen Handelns verknüpft.


DIE UNGEHEURE FORM. Ein empirischer Versuch unter phänomenologischer Betrachtungsweise

Art der Arbeit: Diplom

Bereiche: Theorie

Thema: ANALOGIE EINER WÜSTE

Diplomand: Moritz Muschenich
Betreuer: Prof. Dr. Stefan Asmus/Prof. Holger Jacobs

Datum: Sommersemester 2012

Eines Nachts verirrte sich die Gestaltung im Wald. Sie geriet ins Stocken, stolperte und blieb schlussendlich stehen. Wäre sie doch bloß nicht aufgebrochen. In unbestimmbarer Entfernung hörte sie das Ungeheuer. Es kam näher. Nebel zog auf.

Diese Arbeit ist der Beobachtung geschuldet, dass zwischen den derzeitigen gestalterischen Arbeitsfeldern und dem theoretisch Gestaltbaren eine eklatante Lücke klafft. Die auf theoretischer Ebene bereits vollzogene Öffnung des Gestaltungsbegriffes hin zur einer non-linearen Vermittlungskompetenz findet nur mühsam Einzug in die Köpfe und Werke aktiver Gestalter. Diese scheinen eine Erweiterung ihres Metiers kategorisch abzulehnen, indem sie sich jammernd bis aggressiv an Traditionen, Konventionen, Formen sowie an bewährte Medienformate klammern. Die etablierte Szene versucht krampfhaft, neue potentielle Arbeitsfelder aus dem Dunstkreis ihres Wirken zu verbannen und sich in soziale Eliten zu flüchten, in denen sie Gefahr laufen, sich von der Welt zu entfremden und ihren Bezug zur Lebenswirklichkeit ihrer Mitmenschen zu verlieren. Entgegen dieses Trends haben Designforscher und Theoretiker den Designprozess unlängst als ausgesprochen fruchtbar in der Bearbeitung komplexer Unschärfefiguren herausgearbeitet, die besonders in sozialen Gefügen auftreten. Eigentlich sollte man meinen, dass sich ein jeder Gestalter aus seinem Selbstverständnis heraus der Innovation verpflichtet fühlt, wird dagegen aber das Gefühl nicht los, dass es zuvor schwerwiegende Berührungsängste in Bezug auf unscharfe Problemkonstellationen zu überwinden gibt.

die-ungeheure-form.de


DRAUSSEN WARTET DER TOD. Eine theoriegeleitete Dokumentation zur Inkommensurabilität einer Fotografie der Toten und sprachlicher Reflexion über den Tod.

Art der Arbeit: Diplom
Bereiche: Theorie
Thema: DRAUSSEN WARTET DER TOD. Eine theoriegeleitete Dokumentation zur Inkommensurabilität einer Fotografie der Toten und sprachlicher Reflexion über den Tod.
Diplomand: Arne Rawe
Betreuer: Prof. Dr. Stefan Asmus/Prof. Dr. Christof Breidenich
Datum: Wintersemester 2008/2009

Es ist ein Missverständnis, dass der Schrecken in den Bildern des Todes liegt. Vielmehr ist der Schrecken die unmittelbare körperliche Erfahrung dessen, was das Bewegende der Bilder in uns auslöst. Die Angst vor der Ungeheuerlichkeit des Todes ist auch die Angst vor dem Ungeheuren der Bilder. Um also den Tod auf Seiten der Lebenden in das Gedächtnis zu rufen, bedarf es Aufmerksamkeit auf diese Bilder und damit auf das von Menschen gemachte Ungeheure.

So wird in der Neuzeit die notwendige Erinnerung zunehmend über das technische Bild vermittelt: Dabei verbindet sich in der Fotografie paradoxerweise der Anspruch nach unbedingter Authentizität der Abbildung mit der so schmerzhaft erfahrbaren körperlichen Unerreichbarkeit der anderen, der magischen Seite der Bilder. Zugleich sind wir beruhigt, denn hier scheint gut aufgehoben, was als kulturelles Gut das Leben begleitet, bis dieses selbst in der Aufzeichnung für die Hinterbliebenen zur Erinnerung wird – und wir können diese Bilder vergessen, indem wir sie nicht anschauen.

Aber ist die Erinnerung nicht selbst eine technische, wenn sie auf technischen Bedingungen begründet ist? Ist nicht das Erinnern immer an eine Aufzeichnung gebunden und somit nicht auch die Aufzeichnung zugleich eigenständige Erinnerung, die für sich den Tod überwindet, eben weil sie ihn zeigt? Von der Semantik einer Kultur des Erinnerns zieht es daher die Aufmerksamkeit auf die technische Syntax der Medien, in deren Spur sich ebenso die Bedingung für das Erinnern und damit für die Begründung der Kultur als Annahme der Herausforderung durch den Tod finden lässt.

Diese Spur zeigt sich deutlich an der Rückseite der Fotografie: Die Unmöglichkeit der Überwindung der Differenz zwischen der geschriebenen Sprache und dem gesprochenen Wort entspricht dem sichtbaren Scheitern des Versuchs der Sprache, die technischen Bilder zurückzuholen durch Beschriftung an ihnen. In dieser Lücke zwischen Bild und Sprache als Bedingung für das kulturelle Menschsein findet sich nicht nur die Lust an der sprachlichen Arbeit mit den Bildern, die sich an der Berücksichtigung dieser Differenz messen lassen muss; in dem gefühlten Widerstand, der sich bei der Unmöglichkeit der Überwindung einstellt, wird für uns auch die die Ahnung des eigenen Todes zur Gewissheit. Als Antrieb und zugleich als Entgegnung stellt diese Todesbefallenheit der Welt dem Kulturwesen Mensch erst die eine Möglichkeit bewusst zu Handeln und damit ein Bewusstsein zu haben.

Der Mensch ist damit gemacht – und wird zugleich über die Medien machbar. Es sei denn wir erinnern uns nicht mehr – verweigern oder verlieren das Gedächtnis. Das Vergessen ist der unterlassene Versuch diese medialen Differenz zu überwinden, während Erinnerung bewusste Entgegnung mit dem Dazwischen ist, die so zur Begegnung mit der Möglichkeit des eigenen Todes wird. Dieses Dazwischen zeigt sich machtvoll in der Bewegung, die zur Rückseite der Bilder führt und an der sich die Gestaltung der vorliegenden Arbeit erarbeitet: Gestaltung muss sich hier als bewusste Konfrontation mit dem Tod verstehen. Zugleich sind die Bilder vom Tod die Quelle des Antriebs gegen das Vergessen. Die Auswahl der Bilder ist das Entscheidende – eine Auswahl die den Zufall der Zuhandenheit eines Bildes ebenso annimmt wie die aus der affektiven Betroffenheit resultierende subjektive Anteilnahme am Tod des Anderen. In der Folge stellt sich der eigene Text dem Tod in fremden Bildern und Texten.

Der Reiz entsteht in dem Zwischenraum den die Erosion der ohnehin spekulativen Linearität der geschriebenen Sprache hinterlässt: Bilder sind kein Zuträger oder lassen sich ernsthaft auf einen illustrativen Beigeschmack reduzieren, sie brechen schon durch den aus ihnen erfahrbaren Antrieb mit der Struktur der Texte und sie verlangen nach ihrer Rückseite und damit nach dem Raum der ihnen zusteht in einer solchen Dokumentation. Aus der Simulation der Erscheinungsform von analoger Fotografie wird so eine Archäologie der technischen Bilder – aus deren Stillstand heraus erst die Totalität der Geschwindigkeit der Bilder des Jetzt erkennbar wird: Wer sich mit der Betrachtung des Vergangenen in die Gegenwart hinein bewegt, findet sich in der aktuellen Bildforschung wieder. Das besondere Bild vom Tod ist da nur ein Sonderfall im Leben mit den Bildern.

Die Suche nach der Bestätigung der eigenen Lebendigkeit durch die Behandlung des Todes ist eine bewusste gestalterische Arbeit an uns selbst, und damit ernste Gestaltung, die selbstbewusst um keinen Anwalt mehr verlegen zu sein braucht.


Arne Rawe >>



DRAUSSEN WARTET DER TOD.

DESIGN DES DESIGN – Auf dem Weg zu einem Designbegriff zweiter Ordnung.

Art der Arbeit: Diplom
Bereiche: Theorie
Thema: DESIGN DES DESIGN – Auf dem Weg zu einem Designbegriff zweiter Ordnung.
Diplomand: Till Bergs
Betreuer: Prof. Dr. Stefan Asmus/Dr. Christof Breidenich
Datum: Sommersemester 2006

DESIGN DES DESIGN – das ist zunächst ein recht abstrakter Titel, der einen Begriff gleich doppelt in sich führt. Es geht nach diesem Ansatz zu folgen nicht darum, zu beschreiben, wie z.B. ein Möbelstück entworfen worden ist.

Mit DESIGN DES DESIGN ist die kommunikative Funktion angesprochen, also eine abstraktere Beschreibungsebene. Auf dieser werden wir zu Beobachtern zweiter Ordnung: Wollen wir z.B. gegenüber einer dritten Person im Gespräch deutlich machen, was wir als Designer unter Design verstehen, reicht es wohl kaum aus, lediglich ein Geschmacksurteil zu fällen. Wir müssen uns dann unter Umständen genauer überlegen, wie sich unser eigenes Verständnis von dem eines anderen Beobachters unterscheidet.

DESIGN DES DESIGN ist demzufolge als ein Kommunikationsansatz zu verstehen, in dem immer auch über die eigene Vorstellung und Disziplin hinaus ein abstrakterer Vergleichsmaßstab eröffnet wird. Dieser führt von modernen systemischen und ästhetischen Theorieansätzen zur erweiterten Reflexion der eigenen Praxis und deren kommunikativen Vermittlung: nämlich zum DESIGN DES DESIGN.


SYSTEME

Art der Arbeit: Diplom
Bereiche: Theorie
Thema: SYSTEME
Diplomand: Thomas Meyer
Betreuer: Prof. Dr. Stefan Asmus/Prof. Philipp Teufel
Datum: Sommersemester 2003

Sprechen wir jetzt von Soziologie, Mathematik oder gar von biologischen Systemen? Die Systemtheorie wird zumeist als ein relativ abstraktes, zum Teil auch stark formalisiertes Gedankengebäude wahrgenommen.

Für Gestalter jedenfalls wird die Systemtheorie umso reizvoller, desto klarer ihr Bezug zum Design erscheint. Thomas Meier hat deshalb auch den Bezugspunkt auf die Visualisierung gelegt.

Ist es möglich eine einfache visuelle Systemsprache zu entwickeln, die auch dem interessierten Laien einige wesentliche Erkenntnisse dieser Theorie näher bringen könnte? – Die Herausforderung dieser Art von Visualisierung besteht gerade darin, universal geltende Gesetzmäßigkeiten ausfindig zu machen, die auch für Gestalter erkenntnisfördernd sein können, z.B. im tagtäglichen Umgang mit Komplexität. Komplexität kann auch aus einfachen Regeln erwachsen, die so zunächst nicht ersichtlich sind. Wie auch ein altes Sprichwort bereits besagt: Wir haben den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen.